Adi - Jugend eines Diktators by Pausewang Gudrun

Adi - Jugend eines Diktators by Pausewang Gudrun

Autor:Pausewang, Gudrun [Pausewang, Gudrun]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ravensburger
veröffentlicht: 2013-11-13T23:00:00+00:00


Paula bekam das, was geschehen war, erst am späten Vormittag mit, als sie von dem dauernden Herein und Hinaus der Verwandten und Nachbarn und des Arztes, der den Totenschein ausstellte, erwachte. Die ungewohnte Atmosphäre verstörte sie. Gleichzeitig schien sie aber erleichtert zu sein, dass das Bedrückende nun ein Ende hatte und sie bald zu Angela ziehen würde. Dort würde es ja so schön, so schön sein!

Das hatte ihr die Mutter immer wieder erzählt, und die Hannitante hatte es bestätigt.

Adi hatte den Abschied schon vor Mutters Tod ausgiebig geprobt. Jetzt fühlte er sich leer. Aber er hatte etwas dazugelernt, hatte sich mit dem anderen Tod vertraut gemacht, dem hässlichen, unappetitlichen, animalischen, der mit den Toden der Recken in den Heldensagen nichts gemein hatte.

Für die Mutter konnte er nichts mehr tun. Er würde sie im Medaillon mitnehmen nach Wien. Das war alles.

Aber als der Arzt kam, um den Totenschein auszustellen, dieser kleine gütige Jude, da brach der ganze Jammer doch aus Adi heraus, da schüttelte ihn der Schmerz: Nur sie, nur sie hatte ihn gemocht! Nur sie, nur sie hatte er wirklich lieb gehabt!

Dr. Bloch versuchte ihn zu beruhigen. »Aber, aber, junger Freund«, sagte er und zog ihn an sich, »versuchen Sie, den Verlust wie ein Mann zu tragen. Und wenn ich irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich wissen …«

Zwei Tage später, am 23. Dezember, wurde die Mutter in Leonding begraben, an der Seite ihres Mannes. Man hatte an nichts gespart. Trotzdem folgte nur eine armselige Zahl Trauernder dem Sarg. Ein paar Nachbarn, ein paar Verwandte.

Adi führte mit Schwager Raubal den Zug an. Zwischen ihnen schritt Paula. Die Hannitante hatte sich zwischen die übrigen Frauen geschoben. Adi trug die schwarzen Glacéhandschuhe und hielt den Zylinder in der Hand. So gehörte es sich. Der Mantel verbarg den dunklen Anzug.

Er begegnete einigen neugierigen Blicken: Das also war der Sohn, um den sich Frau Klara so viele Sorgen gemacht hatte.

Auch Angela war da. Aber so hochschwanger, wie sie war, wäre es unschicklich gewesen, sich unter den Trauernden sehen zu lassen. Adi schaute hinüber zum Zweispänner an der Friedhofsmauer. Dort wartete sie, warm eingepackt, im Wagen. Die Niederkunft war fällig. Wieder ein Raubal. Wer weiß, wie viele noch zu erwarten waren. Bald würde fast die ganze Verwandtschaft nur noch aus Raubals bestehen. Eine Welt voller Raubals – ein Albtraum!

Adi musste an Alois denken, seinen Stiefbruder, sieben Jahre älter als er, ein Jahr älter als Angela, dessen Schwester. Nur den Vater hatten er und die beiden gemeinsam. Eigentlich gehörte Alois auch hierher, denn die Mutter hatte ihn aufgezogen seit seinem zweiten Lebensjahr.

Adi konnte sich noch an ihn erinnern. Ein aufgeweckter Bursche war er gewesen, deshalb hatte ihn der Vater auf die Realschule in Linz geschickt. Aber von dort war er eines Tages fortgegangen. Einfach verschwunden. Adi hatte nie herausbekommen, wie. Jedenfalls nicht mit der Einwilligung des Vaters.

Und nun war er, wie es hieß, Kellner in Paris. Manchmal, sehr selten, schrieb er Angela eine Ansichtskarte.

Auch einer, der aus der Enge herausgestrebt hatte und auch wirklich gegangen war. Dafür hatte ihn der Vater enterbt.



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